Insassinnen bis 1933

Bis zur Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 stellen Prostituierte den Großteil der Inhaftierten im Frauengefängnis Barnimstraße – besonders in Zeiten sozialer Not. Erst Ende 1927, durch das "Reichsgesetz zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten", wird Prostitution unter bestimmten Auflagen generell straffrei gestellt. Danach geht die Anzahl der inhaftierten Prostituierten zurück. Neben der Prostitution werden auch Schwangerschaftsabbrüche streng bestraft. Bis 1926 kann jede Abtreibung mit Zuchthaus bis zu zehn Jahren geahndet werden. Danach wird Zuchthaus durch Gefängnis ersetzt und eine medizinische Indikation straffrei gestellt. Unter den Nationalsozialisten wird diese Gesetzesänderung novelliert und Prostitution wieder verschärft verfolgt. Während des Zweiten Weltkrieges ist es möglich, Abtreibung mit dem Tode zu bestrafen. Von Anfang an sind in der Barnimstraße auch politisch verfolgte Frauen inhaftiert. Das Preußische Vereinsgesetz (1850 bis 1908) verbietet Frauen eine politische Betätigung in Vereinen. Durch das Sozialistengesetz (1878 bis 1890) werden zudem sozialistische und sozialdemokratische Organisationen und deren Aktivitäten außerhalb des Reichstags und der Landtage unter Strafe gestellt. Während des Ersten Weltkrieges sind auch militärische Schutzhaftgefangene und Kriegsgegnerinnen inhaftiert. Bis 1933 herrschen für politische Häftlinge im Gegensatz zu den sog. "Kriminellen" erleichterte Haftbedingungen.

Pauline Staegemann, geb. Schuck:

(18. März 1838 – 5. September 1909)
Pauline Staegemann stammt aus einer Arbeiterfamilie und kommt als junges Mädchen aus dem Oderbruch nach Berlin. Hier arbeitet sie zunächst als Dienstmädchen. Sie heiratet einen Maurerpolier und bekommt vier Kinder. Nach dem frühen Tod ihres Mannes verdient sie den Lebensunterhalt für sich und die Kinder durch den Betrieb eines kleinen Gemüseladens in der Landsberger Allee, der bald auch zum heimlichen Treffpunkt der frühen Arbeiterbewegung und Anlaufstelle für ratsuchende Frauen aus Friedrichshain wird.
Zusammen mit Berta Hahn und Johanna Schackow gründet Staegemann 1873 die erste sozialdemokratische Frauenorganisation, den „Berliner Arbeiterfrauen- und Mädchenverein“. Der Verein versucht, Arbeiterinnen zu organisieren, um sich gemeinsam gegen ausbeuterische Arbeitsbedingungen zu wehren. Es werden ein Fonds für in Not Geratene gegründet und die Sozialdemokraten bei Wahlkampfveranstaltungen unterstützt. 1877 wird der Verein endgültig nach § 8 des preußischen Vereinsgesetzes aufgelöst. In der Folgezeit ist Pauline Staegemann an der Gründung weiterer Vereine maßgeblich beteiligt. Sie und ihre Mitstreiterinnen werden zu mehreren Geld- und Haftstrafen verurteilt. Für Pauline Staegemann ist eine Inhaftierung im Frauengefängnis Barnimstraße im Jahr 1879 belegt.

Rosa Luxemburg:

(5. März 1871 – 15. Januar 1919)
Rosa Luxemburg wird in Zamosc/Russisch-Polen geboren. Sie gehört zu den führenden Mitgliedern der Sozialdemokratischen Arbeiterpartei des Königsreichs Polens (SDKP) und engagiert sich nach 1898 auch in der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands (SPD). Ab 1900 verteidigt Rosa Luxemburg u. a. im „Revisionismusstreit“ einen betont revolutionären Standpunkt innerhalb der SPD und nimmt öffentlich Stellung gegen Militarismus und Imperialismus.
Seit 1904 wird Rosa Luxemburg immer wieder zu Gefängnisstrafen verurteilt. Die Urteilsbegründungen lauten auf Majestätsbeleidigung, Aufruf zum Klassenhass, Kriegsdienstverweigerung sowie Hoch- und Landesverrat. Bis zu ihrer Entlassung im November 1918 ist sie in neun verschiedenen Gefängnissen inhaftiert; im Frauengefängnis Barnimstraße verbüßt sie zwei Haftstrafen, eine zweimonatige im Jahr 1907 sowie eine längere Haft 1915/1916.
Als politische Autorin verfasst sie zahlreiche zeitkritische Aufsätze und ökonomische Analysen. Ende 1918 gehört sie zu den Gründungsmitgliedern der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD). Sie unterliegt aber in einigen Fragen, so bei der von der Mehrheit abgelehnten Beteiligung an den Wahlen zur Nationalversammlung.
1918 bricht infolge der militärischen Niederlage des Deutschen Kaiserreiches im Ersten Weltkrieg die Novemberrevolution aus. Der Konflikt um die Weiterführung der Revolution bei Ablehnung bolschewistischer Diktaturmethoden eskaliert in den sogenannten Januarunruhen von 1919. Der Aufstand wird blutig niedergeschlagen. Im Zuge antirevolutionärer „Säuberungsaktionen“ durch Regierungstruppen und Freikorps werden Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht in der Nacht vom 15. auf den 16. Januar 1919 vermutlich von Soldaten der Garde-Kavellerie-Schützendivision ermordet.