"Meine liebe kleine Tochter Michaela!
Heute muss Deine Mutti sterben. Ich habe nur zwei große Bitten an Dich, kleines Dirnlein. Du musst ein braver und tüchtiger Mensch werden und den Großeltern viel Freude machen. Meine besten Wünsche gebe ich Dir mit auf Deinen Lebensweg und bitte Dich, mich lieb zu behalten und nicht zu vergessen. Ich weine innerlich heiße Tränen um Dich und die Eltern. Lebe wohl, geliebtes kleines Töchterchen. In Gedanken umarme und küsse ich Dich. Deine verzweifelte Mutti"
(Abschiedsbrief von Gertrud Seele an ihre Tochter)
jadamowitz
romanowa

Gertrud Seele:
(22. September 1917 – 21. Januar 1945)
Gertrud Seele ist Kind einer sozialdemokratischen Berliner Arbeiterfamilie. Seit ihrem 18. Lebensjahr arbeitet sie als Krankenschwester und im Fürsorgewesen. Am 11. September 1941 bekommt sie ihre Tochter Michaela.

1942 wird sie gemeinsam mit ihrer Tochter nach Merke/Niederlausitz evakuiert. Dort fällt Gertrud Seele wegen nazikritischer Äußerungen auf und wird daraufhin von der Gestapo beobachtet. Im Rahmen einer Lumpensammelaktion sagt Gertrud Seele zu ihrer Nachbarin folgenden Satz: „Warum sammelt ihr das Zeug, ihr verlängert nur den Krieg?“. Sie wird denunziert.
Im Oktober 1943 kehren Mutter und Tochter nach Berlin zurück.

Gertrud Seele ist eine entschiedene Gegnerin des Naziregimes. Während der Kriegsjahre hilft sie bedrängten Jüdinnen und Juden.
1944 wird sie verhaftet und in die Untersuchungshaftanstalten Frankfurt/Oder und Berlin-Barnimstraße überführt. Am 6. Dezember 1944 spricht der Volksgerichtshof das Todesurteil wegen „Wehrkraftzersetzung und Feindbegünstigung“. Der Wunsch, ihr Kind noch einmal zu sehen, bleibt ihr verwehrt.
Am 12. Januar 1945 wird Gertrud Seele in Plötzensee ermordet.